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Homeoffice, erst die Pflicht, jetzt die Kür - Ein Interview

Kann der Arbeitgeber seine Beschäftigten dazu zwingen, anwesend zu sein?
Nachdem die pandemiebedingte Sonderregelung, die „Bundesnotbremse", zum 1.7.2021 ausgelaufen ist, gelten wieder die bisherigen Regelungen und Gesetze. Damals wie heute gilt: Als Arbeitnehmer:in haben Sie jetzt wieder nur dann einen Anspruch auf Homeoffice, wenn

  • Sie in Ihrem Arbeitsvertrag eine Homeoffice-Regelung vereinbart haben.
  • Homeoffice in einem auf Ihren Arbeitgeber anwendbaren Tarifvertrag vorgesehen ist.
  • eine Betriebsvereinbarung besteht, die einen solchen Anspruch vorsieht.

Aber es gibt Hoffnung für alle, die in einem Unternehmen arbeiten, in dem es noch keine Betriebsvereinbarung zum Homeoffice gibt. Seit der Corona Krise sind in Betrieben mit Betriebsrat viele Betriebsvereinbarungen zum Homeoffice oder mobilem Arbeiten abge-schlossen worden. Es lohnt sich also, mal einen Blick in die Betriebsvereinbarung Ihres Arbeitgebers zu werfen.

Was raten Sie Angestellten, die auch ohne ein „Recht auf Homeoffice“ von Zuhause aus arbeiten möchten?
Es lohnt sich immer, mit den Vorgesetzten und dem Arbeitgeber ins Gespräch zu gehen, denn das Arbeiten im Homeoffice bringt durchaus auch Vorteile für den Arbeitgeber. In den meisten Jobs gibt es Tätigkeiten, die keinen persönlichen Austausch mit Kollegin-nen oder Kollegen voraussetzen. Diese können beispielsweise sehr viel effektiver und effizienter im Homeoffice erledigt werden, da man hier weniger abgelenkt ist. Vorausge-setzt natürlich, dass die Kinder betreut sind.

Ich selbst hatte, als ich noch angestellt war, in einer freiwilligen Zusatzvereinbarung mit meinem Arbeitgeber vereinbart, einen Tag in der Woche im Homeoffice zu arbeiten. Da ich zusätzlich meine Arbeitszeit reduziert hatte und mit mir weitere Kolleginnen, hat es dazu geführt, dass wir mit dem Siegel „Familienfreundlicher Betrieb“ ausgezeichnet wur-den. Auch das ist ein gutes Argument für den Arbeitgeber. Es herrscht Fachkräfteman-gel. Viele Bewerberinnen und Bewerber achten heute sehr auf die Familienfreundlich-keit/ das Familienbewusstsein des potentiellen Arbeitgebers.

Wenn es einen Betriebsrat gibt, können Sie sich auch mit diesem in Kontakt setzen und bitten, in Sachen Betriebsvereinbarung zum Thema Homeoffice aktiv zu werden. In aller Regel kann der Betriebsrat besser tätig werden, wenn entsprechende Rückmeldungen aus der Belegschaft kommen.

Am Besten ist es aber selbstverständlich, schon beim Abschluss eines neuen Arbeitsver-trags eine Regelung zum Homeoffice als ausdrückliche Vereinbarung aufzunehmen. Leider wird dies generell zu wenig verhandelt.

Eine Studie hat gezeigt, dass Angestellte im Homeoffice weniger häufig befördert wurden als solche, die im Unternehmen anwesend waren. Auch wenn diese Studie mit Vorsicht zu genießen ist, wie kann man dagegen vorgehen, wenn man den Ein-druck hat, nicht befördert worden zu sein, weil man im Homeoffice arbeitet?
Es gilt im Arbeitsrecht grundsätzlich der Gleichheitsgrundsatz, der aus Art. 3 GG resul-tiert, wonach der Arbeitgeber verpflichtet ist vergleichbare Mitarbeiter:innen gleich zu be-handeln. Aus diesem Gleichheitsgrundsatz kann jede:r einzelne Arbeitnehmer:in das Recht auf Gleichbehandlung ableiten. Liegen also Indizien vor, die aufzeigen, dass andere Kolleg:innen, die die gleiche Tätig-keit machen, aber vor Ort arbeiten, befördert werden und jemand im Homeoffice nicht - ohne dass es dafür einen anderen Grund als das Homeoffice gibt - kann man eine ent-sprechende Beförderung aus Gründen der Gleichbehandlung einfordern.
Diese Indizien muss aber jeder einzelne Arbeitnehmer und jede Arbeitnehmerin, die sich auf Ungleichbehandlung beruft, nachweisen. Kann der Arbeitgeber andere Kriterien aufzeigen, die nichts mit dem Homeoffice zu tun haben und ggf. zurecht eine Ungleichbehandlung aus sachlichen Gründen rechtferti-gen, kann man nicht viel tun ausser sich nach einem anderen Arbeitgeber umzuschau-en...

In Betrieben mit Betriebsrat gibt es die Möglichkeit eine konkrete Beschwerde über eine Ungleichbehandlung beim Betriebsrat einzureichen, der beim Arbeitgeber auf Abhilfe hinwirken kann. Wenn sich beim Betriebsrat mehrere solche Fälle anhäufen, liegen kla-re Indizien einer unzulässigen Ungleichbehandlung auf Grund des Homeoffice vor.

Es empfiehlt sich in regelmäßigen Abständen ein Zwischenzeugnis einzufordern, um ggf auf die bisherigen Leistungen verweisen zu können. Ausserdem sollten auch mit Mitarbeiter:innen im Homeoffice regelmäßig Mitarbeiterge-spräche geführt werden (die jeder auch bei seiner Führungskraft einfordern kann), um auf eine Beförderung hinwirken zu können. Die Protokolle der Gespräche müssen den Mitarbeiter:innen ausgehändigt werden und können bei Bedarf als Nachweis für gute Leistungen dienen.

Über Smaro Sidero:
Smaro Sidero ist Fachanwältin für Arbeitsrecht mit eigener Kanzlei in Stuttgart. Insbe-sondere am Herzen liegen ihr alle Mütter, die mit Kind ihren Job und ihre Karriere voran-treiben wollen. In ihrer Kanzlei, aber auch in ihrem Podcast „Mother’s Comeback“ zeigt sie be-rufstätigen Müttern und solchen, die es werden wollen, die rechtlichen Möglichkeiten und Ansprüche, aber auch die Hindernisse und Stolpersteine auf. Damit der Wiederein-stieg problemlos gelingt.

https://teilzeit-anspruch.de/

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